Donnerstag, April 10, 2025

Der Schuhmacher, der die Sportwelt revolutionierte: Adolf Dasslers

Wie aus einer kleinen Waschküche in Herzogenaurach ein globales Sportimperium entstand.

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In einer kleinen Waschküche in der bayerischen Kleinstadt Herzogenaurach begann eine Geschichte, die den Weltsport für immer verändern sollte. Adolf „Adi“ Dassler, ein gelernter Bäcker mit einer Leidenschaft für Schuhe, schuf aus dem Nichts einen der größten Sportartikelhersteller der Welt – und revolutionierte dabei, wie Athleten ihre Sportart ausüben.

Vom Bäckerlehrling zum Schuhpionier

Die Geschichte beginnt nach dem Ersten Weltkrieg. Der junge Adi Dassler kehrte 1920 aus dem Krieg zurück und fand in einem Deutschland voller wirtschaftlicher Not und politischer Unsicherheit kaum Perspektiven. Statt in seinem erlernten Beruf als Bäcker zu arbeiten, begann er in der Waschküche seiner Mutter, Sportschuhe herzustellen – aus Materialien, die er finden konnte: Leinwand von Militärrucksäcken, Gummi von Gasmasken und Leder von Armeestiefeln.

Was Adi von anderen Schustern unterschied: Er beobachtete Sportler, hörte ihnen zu und entwickelte Schuhe, die ihre spezifischen Bedürfnisse erfüllten. Sein Bruder Rudolf kümmerte sich um den Verkauf, und gemeinsam gründeten sie 1924 die „Gebrüder Dassler Schuhfabrik“. Diese frühe Zusammenarbeit legte den Grundstein für eine Revolution im Sportschuhbereich.

Der erste große Durchbruch

Der entscheidende Moment kam bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Adi Dassler fuhr mit einem Koffer voller Sportschuhe nach Berlin und überredete den amerikanischen Sprinter Jesse Owens, in seinen handgefertigten Laufspikes anzutreten. Owens gewann vier Goldmedaillen – und die Dassler-Schuhe wurden über Nacht weltberühmt. Dieser Erfolg katapultierte das kleine Unternehmen aus der bayerischen Provinz auf die internationale Bühne.

„Es war wie ein Wunder. Plötzlich wollte jeder Sportler Dassler-Schuhe tragen. Ich hatte einfach nur versucht, den besten Schuh für Läufer zu bauen – und plötzlich war ich Teil der Sportgeschichte.“ — Adolf Dassler über die Olympischen Spiele 1936

Der Bruderstreit: Aus einem Unternehmen werden zwei Weltmarken

Der Zweite Weltkrieg bedeutete eine Zäsur. Die Fabrik wurde zeitweise beschlagnahmt, und nach dem Krieg kam es zum legendären Bruch zwischen den Brüdern. Die genauen Gründe sind bis heute umstritten – Gerüchte reichen von persönlichen Animositäten über politische Differenzen bis hin zu Unstimmigkeiten über die Unternehmensführung. 1948 trennten sich die Wege der Brüder endgültig.

Rudolf gründete auf der einen Seite der Aurach seine eigene Firma, zunächst „Ruda“ genannt, später umbenannt in PUMA. Adi blieb auf der anderen Flussseite und gründete 1949 offiziell „Adidas“ – ein Kunstwort aus seinem Vor- und Nachnamen. Der legendäre Bruderstreit teilte nicht nur die Familie, sondern auch die Stadt Herzogenaurach, die fortan als „Stadt der gebogenen Hälse“ bekannt wurde, weil die Menschen stets auf die Schuhe des Gegenübers schauten, um zu wissen, auf welcher „Seite“ man stand.

Die Innovation als Herzstück

Was Adi Dassler auszeichnete, war sein unbändiger Innovationsgeist. Er meldete über 700 Patente und Gebrauchsmuster an. Sein vielleicht größter Triumph waren die Schraubstollen für Fußballschuhe, mit denen die deutsche Nationalmannschaft 1954 im „Wunder von Bern“ Weltmeister wurde – bei strömendem Regen auf matschigem Untergrund, auf dem die Dassler-Stollen den entscheidenden Vorteil brachten.

Adi war kein lauter Unternehmer, sondern ein besessener Tüftler. Bis zu seinem Tod arbeitete er an neuen Modellen und Technologien, immer mit dem Ziel, Sportlern zu helfen, ihre Leistung zu verbessern. Er schlief oft in seiner Fabrik, um an neuen Ideen zu arbeiten, und sammelte akribisch Feedback von Athleten.

Ein globales Imperium entsteht

Was in einer Waschküche begann, entwickelte sich zu einem der bekanntesten Unternehmen der Welt. Die drei Streifen, die Adi Dassler ursprünglich zur Stabilisierung seiner Schuhe einführte, wurden zum ikonischen Markenzeichen, das heute auf Sportplätzen und Straßen weltweit zu sehen ist.

Unter Adis Führung expandierte adidas vom Fußball in andere Sportarten: Leichtathletik, Tennis, Basketball. Als er 1978 starb, hatte er ein Unternehmen geschaffen, das die Art und Weise, wie wir Sport betreiben und wie wir uns kleiden, grundlegend verändert hatte.

Das Vermächtnis lebt weiter

Die Welt des Sports wäre ohne Adolf Dasslers Beitrag eine völlig andere. Seine Geschichte ist mehr als die eines erfolgreichen Unternehmers – sie ist die Geschichte eines Mannes, der niemals aufhörte zu lernen und zu verbessern. Sein Lebensmotto „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ bedeutete für ihn nicht Stillstand, sondern ständige Perfektionierung dessen, was er am besten konnte.

Obwohl adidas später den Familienbesitz verließ und zahlreiche Höhen und Tiefen durchlebte, bleibt Adi Dasslers Erbe bestehen. Die Geschichte des schüchternen Schuhmachers aus Herzogenaurach, der die Sportwelt revolutionierte, erinnert uns daran, was mit Leidenschaft, Handwerkskunst und einem offenen Ohr für die Bedürfnisse anderer möglich ist.

„Am Ende geht es nicht um Marken oder Gewinne. Es geht darum, den Sportlern zu helfen, ihr Bestes zu geben. Alles andere ergibt sich von selbst.“ — Adolf Dassler

Adolf „Adi“ Dassler: Steckbrief

  • Geboren: 3. November 1900 in Herzogenaurach, Deutschland
  • Gestorben: 6. September 1978 in Herzogenaurach
  • Familie: Ehefrau Käthe Dassler, 5 Kinder
  • Bruder: Rudolf Dassler (Gründer von PUMA)
  • Unternehmen: Gründer von adidas (1949)
  • Erste Werkstatt: Waschküche seiner Mutter (1920)
  • Erste Firma: Gebrüder Dassler Schuhfabrik (1924)
  • Bekannteste Innovation: Schraubstollen für Fußballschuhe
  • Markenzeichen: Die drei Streifen (seit 1949)
  • Lebensmotto: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“

Buchempfehlungen zum Thema

  • Drei Streifen gegen Puma: Zwei verfeindete Brüder im Kampf um die Weltmarktführerschaft von Rolf-Herbert Peters
  • adidas: Die Geschichte einer Marke von Christian Maurus
  • Die Dasslers: Drei Streifen gegen Puma von Barbara Smit
  • Sneaker Wars: Der Kampf um einen Milliardenmarkt von Barbara Smit
  • Adi & Rudi Dassler: Eine Familiengeschichte von Alexander Kieland

Quellen

  • adidas Archiv und Unternehmensgeschichte
  • „Die Dasslers: Drei Streifen gegen Puma“ von Barbara Smit
  • Stadt Herzogenaurach – Stadtgeschichte
  • Deutsches Schuhmuseum
  • Deutsches Patent- und Markenamt (DPMA)
  • Interviews mit ehemaligen adidas-Mitarbeitern in verschiedenen Sportpublikationen
Tobias
Tobias
Tobias ist ein Freiberufler mit unstillbarer Neugier. Er liebt es, inspirierende Geschichten über außergewöhnliche Menschen zu entdecken. Seine Mission: Mut, Hoffnung und Veränderung durch fesselnde Erzählungen zu vermitteln.

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