Im Jahr 1981 betrat ein Verkäufer für Küchengeräte ein kleines Kaffeegeschäft in Seattle und war fasziniert vom Aroma des frisch gerösteten Kaffees und der Atmosphäre im Laden. Dieser Moment sollte nicht nur sein Leben, sondern die globale Kaffeekultur für immer verändern. Der Name des Mannes: Howard Schultz. Das kleine Kaffeegeschäft: Starbucks.
Was folgte, ist eine der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten der modernen Wirtschaftswelt – die Geschichte eines Mannes, der aus bescheidenen Verhältnissen kam und eine Vision hatte, die weit über das bloße Verkaufen von Kaffee hinausging.
Kindheit im sozialen Wohnungsbau
Howard Schultz wurde am 19. Juli 1953 in Brooklyn, New York, geboren und wuchs in den Bayview Houses auf, einem öffentlichen Wohnungsbauprojekt. Seine Eltern – sein Vater arbeitete als Lkw-Fahrer und in verschiedenen anderen Jobs – kämpften ständig darum, die Familie über Wasser zu halten. Die finanziellen Schwierigkeiten und die Instabilität seiner Kindheit sollten später seine Geschäftsphilosophie stark beeinflussen.
Sport war Schultz‘ Weg aus der Armut. Dank eines Sportstipendiums konnte er die Northern Michigan University besuchen, wo er 1975 als erster in seiner Familie einen Hochschulabschluss erwarb – einen Bachelor in Kommunikationswissenschaften.
Nach seinem Abschluss arbeitete Schultz zunächst als Verkäufer bei Xerox, bevor er zum schwedischen Küchengerätehersteller Hammarplast wechselte. Als Leiter des US-Vertriebs bemerkte er, dass ein kleines Unternehmen in Seattle, Starbucks Coffee Company, ungewöhnlich viele Kaffeefilterpfannen bestellte. Neugierig geworden, beschloss er, dem Unternehmen einen Besuch abzustatten.
„Ich sah mich um und dachte: Das ist das, was ich suche. Hochwertiger Kaffee. Ein magisches Aroma. Leidenschaftliche Mitarbeiter, die ihre Kunden in die Welt des Kaffees einführen. Das wird mein Leben verändern.“ – Howard Schultz
Die Entdeckung der Kaffeekultur
Obwohl Starbucks damals nur ein kleines Unternehmen mit sechs Läden war, das hauptsächlich Kaffeebohnen verkaufte, war Schultz sofort begeistert. 1982 schloss er sich Starbucks als Leiter des Marketings an. Eine Geschäftsreise nach Mailand 1983 wurde zum entscheidenden Wendepunkt: In Italien entdeckte Schultz die traditionellen Espresso-Bars, die nicht nur als Ort zum Kaffeetrinken dienten, sondern als soziale Treffpunkte, als „dritter Ort“ zwischen Arbeit und Zuhause.
Schultz kehrte mit einer Vision zurück: Er wollte die italienische Espresso-Bar-Kultur nach Amerika bringen. Die Starbucks-Eigentümer waren jedoch skeptisch und wollten beim Verkauf von Kaffeebohnen bleiben. Frustriert verließ Schultz das Unternehmen 1985, um seine eigene Kaffeehauskette zu gründen: Il Giornale.
Der Weg zum Kaffee-Imperium
Die Il Giornale-Kaffeehäuser waren ein Erfolg, und als die Starbucks-Eigentümer 1987 beschlossen, ihr Unternehmen zu verkaufen, ergriff Schultz die Gelegenheit. Mit Hilfe lokaler Investoren kaufte er Starbucks für 3,8 Millionen Dollar und benannte seine Il Giornale-Filialen in Starbucks um.
Unter Schultz‘ Führung begann eine rasante Expansion. 1992 ging Starbucks an die Börse, was die Expansion weiter beschleunigte. Schultz‘ Geschäftsmodell revolutionierte nicht nur den Kaffeekonsum in Amerika, sondern schuf eine völlig neue Kategorie im Einzelhandel: das Premium-Kaffeehaus. Er erkannte früh, dass Starbucks nicht nur Kaffee verkaufte, sondern ein Erlebnis, eine Community, einen Lebensstil.
Was Schultz von vielen anderen Unternehmern unterschied, war sein Engagement für soziale Verantwortung. Bereits 1988, als Starbucks noch ein kleines Unternehmen war, führte er eine Krankenversicherung für alle Mitarbeiter ein – auch für Teilzeitkräfte, was in der amerikanischen Gastronomie revolutionär war. Später kamen Aktienoptionen für Mitarbeiter („Bean Stock“) und ein College-Programm hinzu.
Krisen und Comeback
2000 zog sich Schultz als CEO zurück, blieb aber Vorsitzender des Vorstands. In den folgenden Jahren expandierte Starbucks rasant weiter, doch mit dem Wachstum kamen auch Probleme. Die Qualität litt, die Authentizität ging verloren, und die Wirtschaftskrise 2008 traf das Unternehmen hart.
2008 kehrte Schultz als CEO zurück, um das Unternehmen zu retten. Er schloss 600 unrentable Filialen, konzentrierte sich wieder auf das Kerngeschäft und die Qualität des Kaffees und führte digitale Innovationen ein. Der Turnaround gelang: Starbucks erholte sich und wuchs weiter zu einem globalen Imperium mit über 30.000 Filialen in mehr als 80 Ländern.
Das Vermächtnis
2018 trat Schultz als Executive Chairman zurück, nachdem er zuvor bereits 2017 die CEO-Position abgegeben hatte. Er hinterlässt ein Unternehmen, das die Art und Weise, wie Menschen weltweit Kaffee konsumieren, grundlegend verändert hat. Unter seiner Führung wurde Starbucks zu einem der wertvollsten Marken der Welt und zu einem Symbol der amerikanischen Konsumkultur.
Schultz‘ Erfolg geht weit über die Zahlen hinaus. Er hat bewiesen, dass ein Unternehmen gleichzeitig profitabel sein und soziale Verantwortung übernehmen kann. Seine Vision von Starbucks als „drittem Ort“ zwischen Arbeit und Zuhause hat weltweit Millionen von Menschen einen Raum für Gemeinschaft geboten.
Howard Schultz hat nicht nur ein Unternehmen aufgebaut, sondern eine globale Kultur geschaffen – und dabei gezeigt, dass der amerikanische Traum, vom Armenviertel zum Milliardär, auch heute noch möglich ist.
Howard Schultz: Steckbrief
- Geboren: 19. Juli 1953 in Brooklyn, New York
- Ausbildung: Bachelor in Kommunikationswissenschaften, Northern Michigan University (1975)
- Karriere: Verkäufer bei Xerox, Vertriebsleiter bei Hammarplast, Marketing-Direktor bei Starbucks (1982), Gründer von Il Giornale (1985), CEO von Starbucks (1987-2000, 2008-2017)
- Vermögen: Geschätzte 3,5 Milliarden US-Dollar (2023)
- Familie: Verheiratet mit Sheri Kersch Schultz, zwei Kinder
- Soziales Engagement: Gründer der Schultz Family Foundation, die sich für benachteiligte Jugendliche und Veteranen einsetzt
- Bücher: „Pour Your Heart Into It“ (1997), „Onward: How Starbucks Fought for Its Life without Losing Its Soul“ (2011), „From the Ground Up“ (2019)
- Bekannt für: Die Transformation einer kleinen Kaffeerösterei in ein globales Imperium, die Einführung von Sozialleistungen für Mitarbeiter, seine Vision vom „dritten Ort“
- Auszeichnungen: Fortune Magazine’s „Businessperson of the Year“ (2011), einer der einflussreichsten Manager laut Time (2013)
Empfohlene Bücher
Für alle, die mehr über Howard Schultz und sein revolutionäres Geschäftsmodell erfahren möchten:
- Pour Your Heart Into It: How Starbucks Built a Company One Cup at a Time von Howard Schultz und Dori Jones Yang – Schultz‘ eigene Geschichte über die Anfänge von Starbucks.
- Onward: How Starbucks Fought for Its Life without Losing Its Soul von Howard Schultz und Joanne Gordon – Ein persönlicher Einblick in die Krise und den Turnaround von Starbucks.
- From the Ground Up: A Journey to Reimagine the Promise of America von Howard Schultz – Seine neueste Reflexion über Amerika und die sozialen Herausforderungen unserer Zeit.
- The Starbucks Experience: 5 Principles for Turning Ordinary Into Extraordinary von Joseph A. Michelli – Ein detaillierter Blick auf die Prinzipien, die Starbucks zum Erfolg führten.
Quellen
- Schultz, Howard & Yang, Dori Jones: „Pour Your Heart Into It: How Starbucks Built a Company One Cup at a Time“ (1997)
- Schultz, Howard & Gordon, Joanne: „Onward: How Starbucks Fought for Its Life without Losing Its Soul“ (2011)
- Schultz, Howard: „From the Ground Up: A Journey to Reimagine the Promise of America“ (2019)
- Koehn, Nancy F.: „Howard Schultz and Starbucks Coffee Company“ (Harvard Business School Case Study)
- Forbes: „Howard Schultz Profile“ (2023)
- Starbucks Corporation: Offizielle Unternehmensgeschichte und Pressemitteilungen
- Interview mit Howard Schultz in der „Oprah Winfrey Show“ (2011)
- TED Talk: „Howard Schultz on Reinventing the Company“ (2013)